Boltenhagen – 20. Juli 2012

Personalangelegenheiten einer Gemeinde sind keine öffentlichen Angelegenheiten. Wenn sich jedoch jeder, ob gefragt oder ungefragt, zu diesem Thema öffentlich äußert, ja selbst die Betroffene die Öffentlichkeit geradezu sucht, darf dann derjenige, der diese Diskussion ausgelöst hat, auch seine Gründe offenlegen? Darf der Verantwortliche diese Gründe öffentlich machen?

Hier ein Versuch der Erklärung anhand eines fiktiven Beispiels:

  1. Ein Mitarbeiter in der Probezeit belügt seinen Dienstvorgesetzten. Die Konsequenz wäre die Kündigung, denn das Vertrauensverhältnis ist nachhaltig gestört. Was führte dazu? Es gab einen Erfahrungsaustausch in Schleswig-Holstein zu dem der Mitarbeiter eingeladen hatte. Der Teilnehmerkreis sollte aus allen Mitgliedern eines Ausschusses und allen Fraktionsvorsitzenden bestehen. Die Prüfung ergab, dass zwei Ausschussmitglieder und eine Fraktionsvorsitzende nicht eingeladen wurden! Der Mitarbeiter hat also Gemeindevertreter, Vertreter seiner obersten Dienstbehörde aussortiert! Dass der betreffende Mitarbeiter auch seinen Dienstvorgesetzten nicht über diesen „Erfahrungsaustausch“ informierte, ist dabei nicht bewertet worden. Wäre eine Kündigung berechtigt?
  2. Ein Mitarbeiter in der Probezeit beauftragt die „Sanierung“ einer Promenade im Wert von ca. 25.000 Euro. Der Mitarbeiter darf selbständig Entscheidungen treffen bis zu einer Wertgrenze von 12.500 Euro. Darüber hinaus muss er seinen Dienstvorgesetzten informieren und einen Beschluss seiner obersten Dienstbehörde, der Gemeindevertretung, einholen. Als Besonderheit kommt hinzu, dass der ursprüngliche Bau der Promenade durch Fördermittel ermöglicht wurde. Eine Bindefrist für die Nutzung der geförderten Promenade begann im Jahr 2006 und beträgt 25 Jahre. Der Mitarbeiter hat einen Auftrag ausgelöst zu dem er keine Befugnis hatte. Ohne seinen Dienstvorgesetzten zu informieren, ohne seine oberste Dienstbehörde zu informieren und ohne das für Fördermittel zuständige Landesamt zu informieren. Dadurch kann der betreffenden Gemeinde ein Schaden bis zur Gesamtfördersumme in Höhe von 621.000 Euro entstehen. Das noch keine gültige Haushaltssatzung für das entsprechende Jahr gültig war, wurde nicht bewertet. Wäre eine Kündigung berechtigt?
  3. Ein Mitarbeiter in der Probezeit ist für die Organisation der Wasserrettung verantwortlich. Dafür steht ihm ein Mitarbeiter mit einer Vollzeitstelle zu Verfügung. In einer Einwohnerfragestunde wird der Dienstvorgesetzte vom ehrenamtlichen Wachleiter der Wasserrettung gefragt, ob es diese Stelle nicht mehr gibt? Die Überprüfung der Angelegenheit ergibt folgendes Bild: Die Stelle gibt es noch, den Mitarbeiter auch. Allerdings wird der Mitarbeiter sachfremd eingesetzt, so dass die Wasserrettung ohne entsprechende Betreuung ist. Der verantwortliche Mitarbeiter wird darauf hingewiesen, dass es seit mehr als 20 Jahren im Verantwortungsbereich der Wasserrettung der Gemeinde zu keinem tödlichen Badeunfall mehr kam. Durch die bisher praktizierte Führung, Organisation und Betreuung der Wasserrettungsmitarbeiter hat die Gemeinde als staatlich anerkanntes Seeheilbad einen hervorragenden Ruf bei den ehrenamtlichen Rettern. Da dieser Ruf auch zukünftig erhalten bleiben sollte, setzte der Dienstvorgesetzte den zuständigen Mitarbeiter wieder ein. Der verantwortliche Mitarbeiter in der Probezeit verstieß also vorsätzlich gegen den Stellenplan. Wäre eine Kündigung berechtigt?

Da wir uns bei diesem fiktiven Beispiel im öffentlichen Dienst bewegen, hätte die Angelegenheit von der Rechtsaufsicht geprüft werden können. Das Ergebnis könnte lauten:

  1. Die Kündigung erfolgte fristgemäß. (§ 30 Abs. 4 Satz 2 TVöD)
  2. Die Formvorschrift der schriftlichen Kündigung wurde gewahrt.
  3. Die Mitteilung der Kündigungsgründe während der Probezeit ist nicht gesetzlich gefordert.
  4. Die Außenwirkung der Kündigung ist zu bejahen.
  5. Eine Rücknahme der Kündigung durch die oberste Dienstbehörde ist nicht möglich.

Zu einem Beschluss der obersten Dienstbehörde zur Aufhebung der Befristung des Vertrages und der vorzeitigen Beendigung der Probezeit könnte die Rechtsaufsicht feststellen:

  1. Voraussetzung für eine solche Beschlussfassung ist, dass der zu beratende Sachverhalt auf der Tagesordnung steht.
  2. Die Entscheidungen zum betroffenen Mitarbeiter standen weder auf der Tagesordnung noch waren sie inhaltlich der ausgereichten Beschlussvorlage zuzuordnen.
  3. Der Beschluss ist somit rechtswidrig zustande gekommen.
  4. Der Widerspruch des Dienstvorgesetzten ist begründet und hat aufschiebende Wirkung. D. h. die Entscheidungen sind nicht umsetzbar.

Und jetzt verlassen wir diesen fiktiven Fall und wenden uns der Realität zu. Sie können davon ausgehen, dass die Feststellungen der Rechtsaufsichtsbehörde auch in der Realität existieren.

Am 03.07.2012 beschloss die Gemeindevertretung der Gemeinde Ostseebad Boltenhagen folgendes: „Die vom Bürgermeister Olaf Claus ausgesprochene Kündigung der Leiterin des Eigenbetriebs „Kurverwaltung Ostseebad Boltenhagen“, Frau Claudia Hörl, ist nach Auffassung der Gemeindevertretung rechtswidrig. Der Bürgermeister unterläuft damit zielgerichtet den Willen der allein zuständigen Gemeindevertretung, die erst am 23. Mail 2012 ohne Gegenstimmen beschlossen hatte, sowohl die vertragliche Probezeit als auch die Befristung von Frau Hörl aufzuheben, weil sie die Arbeit von Frau Hörl als hervorragend beurteilt. Die Gemeinde wird aus der vom Bürgermeister Olaf Claus rechtswidrig ausgesprochenen Kündigung keine Rechte herleiten. Sie geht davon aus, dass die Bestellung von Frau Hörl zur Leiterin des Eigenbetriebs „Kurverwaltung Ostseebad “ nach wie vor wirksam ist. Nur vorsorglich erklärt die Gemeindevertretung die Rücknahme der Kündigung und bietet Frau Hörl die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage des Vertrages vom 20. Dezember 2011 mit Wirkung vom 1. Juli 2012 an. Der Bürgermeister wird angewiesen, diesen Beschluss sofort auszuführen.“

Der Vertrag wurde am 03.07.2012 von Seiten der Gemeinde Boltenhagen von den stellv. Bürgermeistern Christian Schmiedeberg und Beatrix Bräunig unterzeichnet.
Innenminister Lorenz Caffier (CDU) bezeichnete unsere Gemeinde als „Tollhaus“. Vermutlich tat er dies in weiser Voraussicht auf die Beschlussfassung der Gemeindevertreter.
Und nun wird auch für jeden klar erkennbar, wer das medizinische Personal stellt und um wen es sich bei den Insassen des „Tollhauses“ handelt.

Ihr Olaf Claus

Schreiben Sie mir gerne Ihre Meinungen und Fragen an info@olafclaus.de.