Boltenhagen – 10. Januar 2011

Am 06.01.2011 fand im Kur- und Festsaal (Aula) eine Einwohnerversammlung statt.

Mehr als 100 Bürger folgten der Einladung, um Informationen zur aktuellen Situation in der Gemeinde zu erhalten. Unter ihnen waren auch 9 Mitglieder der Gemeindevertretung und die Landrätin des Landkreises NWM.

Nach dem Bericht des Bürgermeisters gab es die Gelegenheit, Fragen zu wichtigen Ereignissen in der Gemeinde zu stellen. Die Bürger kamen sehr schnell auf den eigentlichen Grund ihrer Teilnahme zu sprechen. Sie wollten die näheren Umstände zum Beschluss der Gemeindevertretung über die Aufhebung der Amtsfreiheit erfahren, nachdem sie in der Bürgerfragestunde vom 16.12.2010 dazu keine Fragen stellen durften.

Sie fühlen sich übergangen, da sie zu keiner Zeit in die Meinungs- und Willensbildungsphase in dieser wichtigen Gemeindeangelegenheit einbezogen waren. Die Informationen, die der Presse entnommen werden konnten, waren hingegen sehr einseitig, wie mehrfach kritisiert wurde, sodass sich daraus auch kein umfassendes Bild machen ließ.

Die Ursache für diesen Beschluss erkannten auch die Bürger in den andauernden Querelen zwischen Gemeindevertretung und Bürgermeister. Einige forderten die Rückkehr zur Sacharbeit, die Einstellung der Streitigkeiten und eine öffentliche Diskussion zwischen Gemeindevertretung und Bürgermeister. Eine Bürgerin sprach in ihrem Beitrag gar vom Mobbing gegenüber dem Bürgermeister.

Ich zitierte aus dem Bericht des Beraters Jändling:

„In Gesprächen mit den Gemeindevertretern und dem 1. Stellv. Bürgermeister wurden folgende Punkte als Beispiele für das gestörte Verhältnis zwischen GV und BGM genannt:

  1. Die Vereinbarung über die private Nutzung des Dienstwagens
  2. Die fristlose Kündigung der Kämmerin
  3. Die vom Bürgermeister gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichtes eingelegte Berufung
  4. Die noch nicht begonnenen Investitionsmaßnahmen im Haushaltsjahr 2010
  5. Die fehlerhafte Vorbereitung auf die neue Haushaltsführung (Doppik)“

Aus meiner Sicht ist keiner dieser Punkte ausreichend, um die Aufhebung der Amtsfreiheit zu begründen. Davon abgesehen sind es größtenteils konstruierte Gründe.
Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die Gemeindevertretung doch nur ein Abwahlverfahren gegen mich beschließen muss. Dann könnten die Bürger selbst entscheiden.

Es äußerte sich auch der Gemeindevertreter Hans-Otto Schmiedeberg (CDU). Er sprach darüber, dass niemand Angst vor der Zuordnung der Gemeinde zum Amt Klützer Winkel haben muss. Wenn die Erstklässler aus Klütz an 200 Tagen im Jahr nach Boltenhagen fahren können, dann können dies erwachsene Bürger doch sicher auch in umgekehrter Richtung. Außerdem müsse niemand Angst um die Gemeindekasse haben, es ändere sich nur der Standort von Boltenhagen nach Klütz. Er hat aus meiner Sicht nicht den Grund für die Verärgerung der Bürger in dieser Angelegenheit erkannt.

Die Bürger der Gemeinde möchten in dieser wichtigen Angelegenheit beteiligt werden! Sie wollen nach ihrer Meinung gefragt werden! Offensichtlich hat dies nur ein Mitglied der Gemeindevertretung erkannt. Der Standort der Gemeindekasse ist für die Bürger der Gemeinde keine wichtige Frage.
Die Bürger haben auch erkannt, dass das Innenministerium nicht von sich aus tätig wurde, sondern durch die Mehrheit der Gemeindevertreter dazu aufgefordert wurde.

Die anwesende Landrätin bot eine Informationsveranstaltung zur Frage der Aufhebung der Amtsfreiheit an. Sie soll kurzfristig durchgeführt werden um die bestehenden Verunsicherungen auszuräumen.
Ich werde Sie über die weitere Entwicklung informieren.

Diese Kommentare erreichten mich zum Thema:

Die Landrätin rief, der Saal war voll, kein freier Stuhl. Das Thema des Abends: Die Aufhebung der Amtsfreiheit der Gemeinde Boltenhagen.

Nach der Einleitung durch die Landrätin äußerte sich Herr Matzik vom Innenministerium. Grundtenor war: Wir wollen alle euer Bestes, die Verwaltung ist schwach, die Situation ist schwierig. Es gibt nur drei amtsfreie Gemeinden in M/V unter 4000 Einwohnern; Zingst, Poel und Boltenhagen. Eine Außenstelle für mehr Bürgerfreundlichkeit soll in Boltenhagen geschaffen werden! Gibt es eigentlich eine Steigerung der Bürgerfreundlichkeit gegenüber einer eigenen Verwaltung?

Dann kam Frau Weber vom Prüfungsamt: Die Gemeinde verfügt über keine Stellenbeschreibungen (seit 2005), keine Geschäftsverteilung (seit vielen Jahren), seit 10 Jahren immer den Haushalt zu spät erstellt (wer könnte daran schuld sein?), kein Finanzspielraum (wer legt den fest?), Stundungen allein entschieden (durch die Kämmerin!), Planungsleistungen überzahlt (Juli 2007, durch die Kämmerin!),kein Trend zur Besserung (woher die Kenntnis?).

Dann wieder Herr Matzik: 8500 Einwohner + 2500 Einwohner = 13000 Einwohner!!! (FALSCH, aber er war nah dran!).

Viele Einwohner meldeten sich mit Fragen. Ihre Hauptsorge war der Verlust der Amtsfreiheit ohne Bürgerbeteiligung. Das hat mit Demokratie nichts zu tun! Die Initiatoren des Bürgerentscheides meldeten sich zu Wort und sprachen sich gegen die Verunsicherung der Bürger durch die einseitige Berichterstattung in der Presse aus. Ein Bürgerentscheid ist nichts Ungesetzliches und die Bürger wollen gehört werden. Die Landrätin sprach sich gegen einen Bürgerentscheid aus, obwohl die Rechtsaufsicht dies noch gar nicht geprüft hatte! Ein Bürger fragte nach einem Prüfbericht für das Amt Klützer Winkel, weil er sich Sorgen darüber machte, dass die Gemeinde vom Regen in die Traufe käme. Das dies nicht unberechtigt war, zeigte die Antwort von Frau Bössow. Geprüft wurde, aber nicht in dem Umfang wie in Boltenhagen. Ich hörte aus der Antwort viel ungesagtes. Vielleicht sollte man sich diesen Prüfbericht näher anschauen? Wann liegt der eigentlich aus?

Bemerkenswert der bewegende Auftritt von Kurt Viergutz. Er wurde telefonisch bedroht. Falls er sich heute zu Wort meldet wird seine Vergangenheit aufgedeckt. Er hatte seine STASI-Akte gleich mitgebracht! Die anonyme Anruferin gab sich allerdings nicht zu erkennen. Seine Zivilcourage wurde von der Mehrheit der Bürger mit Applaus bedacht.

Dann trat der Gemeindevertreter Uwe Dunkelmann auf. Er habe sich zwar bei der Abstimmung der Stimme enthalten, sei aber erschrocken über die Feststellungen im Prüfbericht. Die Bürger sollten diesen Bericht einmal lesen, dann hätten sie Verständnis für die Entscheidung der Gemeindevertretung. Und er behielt Recht: Viele Bürger äußerten nach der Veranstaltung Verständnis – für IHN! Er hatte 2005 ein Grundstück vom Marina-Investor direkt am Hafen gekauft! Da steht jetzt seine Gaststätte „Fischereihof Kamerun“. Alles völlig legal? Na ja, 25 €/m² waren vielleicht etwas wenig. Laut Grundstücksmarktbericht wären mehr als 170 &euro/m² fällig gewesen. Aber dafür war er ja Vorsitzender des Bauausschusses der Gemeinde und das Marina-Projekt ging dann wirklich zügig voran. Und das allein zählt schließlich!

Schließlich meldete sich der Bürger(meister) Olaf Claus zu Wort. Er erinnerte an diverse Gutachten und Gutachter. Einer soll nicht einmal bis ZEHN zählen können. Ansonsten wiederlegte er kurz und knapp die Behauptung, dass ein Prüfbericht über die Jahre 2006/2009 die Ursache für die Aufhebung der Amtsfreiheit sei. Die Mängel stehen seit ca. 10 Jahren an und niemand hat sich bisher dafür interessiert. Das Gutachten des Beraters zeigt mehrere Lösungsmöglichkeiten, u.a. die Bestellung von Beauftragten für die Gemeindevertretung und den Bürgermeister, ein Abwahlverfahren gegen den Bürgermeister (das einzig legitime Mittel um einen Bürgermeister loszuwerden) und eine übertragung von Aufgaben an ein benachbartes Amt (hier Bausachen). Nachdem der Applaus verklang redete das Präsidium die Vorschläge klein.

Von den Protagonisten für die Aufhebung der Amtsfreiheit, also Christian Schmiedeberg, Heinz-Dieter Schultz und Maria Schultz meldete sich niemand zu Wort. Hans-Otto Schmiedeberg war garnicht erst erschienen.

Lange Rede kurzer Sinn: Es gibt viel zu tun für die Demokratie in Boltenhagen und es wird getan werden!

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